01.11.2022
Ans Licht geholt
Pamela Meyer-Arndt gibt mit dem Dokumentarfilm „Rebellinnen – Fotografie. Underground. DDR.“ einen neuen Blick frei: auf die Kunst und das Leben von drei junge Künstlerinnen in den 1970ern und 80ern in der DDR.
Unbekannte Welten voller unglaublicher Bilder. Eine junge Frau wird an ihren Haaren festgebunden, die Vergangenheit hält sie fest. Spärlich bekleidete junge Menschen vor bröckelnden Fassaden, die Zeit scheint still zu stehen. Ein Mensch mit Silberfolie umwickelt auf den Elbwiesen in Dresden, wie ein Außerirdischer auf einer Schafsweide. Diese und viele andere performative Fotos erschaffen die drei „Rebellinnen“ in den 1970ern und 80ern, auf der Suche nach sich selbst und nach einer Kunst, die etwas Echtes ausdrückt. Das Fotografieren oder das Drehen von experimentellen Super-8-Filmen ist dabei so wichtig wie das, was dabei herauskommt. Bildstarker weiblicher Underground in der DDR.
„Es ist fast zum Verzweifeln. Wenn da nicht der Mut der Künstlerinnen durchleuchten würde und das Wissen, dass sie nicht aufgegeben haben.“
Eyck-Marcus Wendt
Tina Bara, Cornelia Schleime und Gabriele Stötzer sind drei Künstlerinnen, die in der Underground-Kunst-Szene in den 70er und 80er Jahren der DDR aktiv sind, in Ost-Berlin, Erfurt und Dresden. Sie arbeiten entweder für sich allein oder mit Kollegen und Freunden bzw. im Künstlerkollektiv.
Ihre Kunst hat direkt oder indirekt immer auch einen biografischen Hintergrund. Als junge Frauen haben sie eine weibliche Sicht auf ihre Welt. Den austauschbaren Bildern der staatlichen Propaganda setzen sie eine einzigartige und intime Bildsprache entgegen. Doch werden sie von der Stasi und Inoffiziellen Mitarbeitern beschattet und massiv unter Druck gesetzt. Die Wunden der drei Rebellinnen, die sie durch Bespitzelung, Bedrohung, Lüge und Verrat erlitten haben, sind heute noch nicht ganz verheilt. Viele der im Film gezeigten Bilder werden erst jetzt entdeckt, ans Licht geholt und international gefeiert.
Pamela Meyer-Arndt über ihren Film
Bei meiner Suche nach Protagonistinnen für diesen Film habe ich mich gefragt: Welche Künstlerinnen waren fotografisch und künstlerisch tätig und zugleich Dissidentinnen? Die Suche gestaltete sich als schwierig, weil Dissident:innen meistens nicht gleichzeitig Künstler:innen waren, eher politisch aktiv, und sie fotografierten vielleicht nebenher. Aber ich suchte Bilder, die einen starken Ausdruck hatten, die mich in den Bann zogen und nicht mehr losließen. Um so schöner war es, dass ich diese Künstlerinnen dann nach langer Suche fand. Und ich fand noch mehr, von dem ich nichts wusste.
Die teilweise krassen Bilder von Tina Bara, Cornelia Schleime und Gabriele Stötzer ließen mich anfangs zurückschrecken. Ich brauchte eine Weile, bis ich sie verstand. Beim Drehen wurde mir öfters schwindelig, so aufgeladen war die Emotionalität während der Gespräche. Ich erinnere mich an den Dreh mit Gabriele in Erfurt, wo ich auf den Balkon gehen musste, um mich zu erholen. Ihre Geschichten waren einfach zu unglaublich. Dass der Staat ihr einen Transvestiten zuspielte, den sie fotografieren sollte, damit man ihr später Pornografie als Straftat vorwerfen konnte, um sie dann ins Gefängnis zu kriegen – unfassbar. Auch Tina und Cornelia hatten traumatische Erfahrungen gemacht.
Wenn ich mich frage, was mich zu diesem Film antrieb, dann ist das der universelle Ausdruck der im Film gezeigten Bilder. Es sind starke Bilder des weiblichen Widerstands im Angesicht der Unterdrückung. Sie könnten überall auf der Welt gemacht worden sein, zu jeder Zeit. Die Haut, das Nacktsein, das Verletzliche, die Geste sich selbst auszuliefern – das ist so stark. Und zieht mich nach wie vor in den Bann. Diesem Ausdruck wollte ich eine Bühne geben.
Zum Schluss noch diese Frage: Hätten wir (aus dem Westen) je so viel Freiheitssinn innerhalb der DDR vermutet, wie er von diesen drei Künstlerinnen kommt? Erstaunlicherweise werden viele dieser Bilder erst jetzt entdeckt, durch diesen Film und anderenorts, sie werden aus den verstaubten Schubladen ans Licht geholt. Endlich.