14.01.2023
Elegant erzählte Sozialkritik
Zur Queer-Film-Nacht am 16. Januar 2023 zeichnet Idan Haguel mit bitterbösem Humor eine satirische Parabel über das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung, unhinterfragte Privilegien und tief sitzende Vorurteile. Für seine elegant erzählte Sozialkritik wurde „Concerned Citizen“ bereits auf der Berlinale gefeiert.
Ben hält sich für einen liberalen schwulen Mann. Er hat einen gut bezahlten Job und wohnt mit seinem Partner Raz in einem schicken Apartment in einem migrantisch geprägten Stadtteil Tel Avivs.
„‚In seiner scharfsichtigen Status-Satire gelingt Idan Haguels sowohl szenisch als auch psychologisch brillant das Spiel mit Perspektiven.“
Lida Bach
Zum Glück fehlt dem Paar nur noch ein Kind. Um ihre Wohngegend zu verschönern, pflanzt Ben einen Baum auf der anderen Straßenseite. Doch seine gut gemeinte Tat löst eine Kette von Ereignissen aus, an deren Ende ein Geflüchteter aus Eritrea brutal von Polizisten zusammengeschlagen wird. Bens Bild von sich selbst, seiner Beziehung, ja der ganzen Gesellschaft gerät aus den Fugen.
Idan Haguel über seinen Film
Man kann „Concerned Citizen“ als eine zynische „White-Guilt-Trip“-Komödie über einen Gentrifizierten (Ben, 35) bezeichnen, der in einem vernachlässigten Stadtteil im Süden Tel Avivs lebt und zu dessen Nachbarn auch eritreische Geflüchtete zählen. Diese Umgebung zwingt ihn, die (wollen wir sagen) unschönen Seiten seines Charakters zu erforschen, derer er sich bislang nicht bewusst war.
Wir haben den Film in einer Wohnung im Süden Tel Avivs gedreht, in der ich selbst mehrere Jahre gelebt habe. Mir war es wichtig, die Atmosphäre und Geschehnisse in der Gegend möglichst authentisch wiederzugeben. Die beiden Protagonisten des Films sind auch in der Realität ein Paar. Das war mir wichtig, denn die Dynamiken und Nonchalance einer realen schwulen Beziehung sind nur sehr schwer mit Schauspielern nachzuempfinden, die kein Paar oder nicht schwul sind. Ähnliches gilt für die Schauspieler, die im Film die eritreischen Geflüchteten darstellen: Sie selbst sind Geflüchtete aus einem Auffanglager für Asylsuchende aus dem Sudan und Eritrea, das sich in der Wüste Israels befindet. Durch dieses Casting hat „Concerned Citizen“ an Authentizität gewonnen.
Der Film wird aus der weißen und priviligierten Sicht des Protagonisten erzählt. Von dieser Perspektive rührt auch die Satire her. Ich wollte mir nicht anmaßen, die Perspektive der Geflüchteten für mich zu beanspruchen, die in der inneren Welt unseres Protagonisten keinen Platz haben.
Der Film erzählt von schwulen Figuren, aber er tut das, um die bürgerlichen Elemente der Gesellschaft in Tel Aviv zu reflektieren. Wir wollten eine queere Geschichte aus einem anderen Blinkwinkel erzählen. Es geht nicht unbedingt um Liebe oder Coming-out, sondern um eine Welt, in der sich schwule Figuren – die oft als Opfer dargestellt werden – zu Schikaneuren entwickeln.