18.02.2023

Film + Gespräch am 21.02., 20 Uhr: Schattenkind

Ein Mann mit kurz geschorenen Haaren und breitrandiger Brille fotografiert mit einer Spiegelreflexkamera eine surreale Szene: Auf einem überlebensgroßen Bett sitzt eine in Plastikfolie eingewickelte, rundliche Frau. Währenddessen arbeiten schwarz gekleidete Männer mit Schweißgeräten an den Bettpfosten aus Metall.

Foto: Arsenal Filmverleih

Im Mittelpunkt des Dokumentarfilm-Porträts „Schattenkind“ steht der Fotograf Andreas Reiner, der Menschen abbildet, die am Rande der Gesellschaft stehen. Regisseur Jo Müller hat ihn bei dieser Arbeit filmisch begleitet – und ist am 21.02.2023 bei uns zu Gast!

Andreas Reiner ist der Sohn eines erfolgreichen Fabrikanten. Als sein Vater mit 47 Jahren stirbt, wird seine Mutter manisch-depressiv. In den frühen Morgenstunden seines 20. Geburtstags klingelt die Polizei, erklärt, dass sich seine Mutter vor den Zug geworfen hat. Als Geschenk hinterlässt sie ihm eine Levi`s 501 und 50 Mark – aber keinen Abschiedsbrief.

„Ein grandioses Werk mit tollen, echten Bildern, bewegender Musik und als Hommage an uns alle, die wir Mensch sein dürfen.“

Paul Siwasch

Reiners Leben bricht zusammen. Bald ist der Fabrikantensohn arbeitslos, wohnsitzlos. Ein Aufenthalt in der Psychiatrie folgt. Dann entdeckt er seine Passion – die Fotografie. Seither will er mit seiner Kamera den Vergessenen und Verlorenen dieser Gesellschaft ein Gesicht geben.

Er schaut dorthin, wo andere wegsehen, fotografiert Gesichter von Hinterbliebenen, Hände von Toten oder deren Grabbeigaben. Er portraitiert Menschen mit Behinderung, aber auch Frauen, die Sternenkinder zur Welt gebracht haben.

Reiner hat einen Sinn für Außenseiter und Ausgestoßene, weil er sich selbst als einen solchen empfindet. Der Film verfolgt den Ausnahme-Fotografen bei seiner Arbeit und zeigt sein genügsames Leben auf einem baufälligen Bauernhof zusammen mit Ochse Anton und Hund Pauline. Eine Reise ins Herz der Finsternis seiner Vergangenheit, gleichzeitig aber auch eine Hymne auf die menschliche Existenz. Reiners fotografische Grenzerfahrungen sind oft provokativ, sie erzeugen fruchtbaren Zorn, aber sie zeugen genauso von einer grimmigen Lust am Leben.