24.10.2022
Ein steiniger Weg
Inspiriert von wahren Ereignissen spürt Regisseur Niccolò Castelli dem schwierigen Prozess einer posttraumatischen Heilung nach. Sein zweiter Langfilm „Atlas“ arbeitet dabei mit starken visuellen Kontrasten und Erzählsprüngen.
Allegra, eine kletterbegeisterte junge Frau, wird während eines Trekkingausflugs in Marokko Opfer eines Terroranschlags, bei dem ihre drei besten Freunde ums Leben kommen. Von Schuldgefühlen und Rachegedanken getrieben, zieht sie sich in ihre Einsamkeit zurück. Ihre Familie und Freunde finden keinen Zugang mehr zu ihr.
„Je höher die Berge werden, auf die sich Allegra irgendwann wieder wagt, desto freier wird auch der filmische Blick.“
Peter Gutting
Um in die Realität zurückzukehren und das Leben wieder zu lieben zu lernen, muss sie sich mit der Vergangenheit und dem Fremden auseinandersetzen. Als sie Arad, einen jungen Flüchtling aus dem Nahen Osten kennen lernt, findet sie einen Weg zu sich und ihrem Lebenswillen.
Niccolò Castelli über seinen Film
Das Bedürfnis, das Drehbuch für den Film „Atlas“ zu schreiben, entstand vor rund 10 Jahren, aus einem einschneidenden Moment heraus. Wie heute bei der Pandemie, beschlich mich damals das Gefühl, dass etwas in unseren Alltag einzieht, das uns nicht mehr loslassen wird: Die Angst. Unsere Generation war sich damals ziemlich sicher, auf einer neutralen, freien und glücklichen Insel, geschützt vom Rest der Welt, zu wohnen. Doch in diesem Moment wurden wir Teil der Welt und uns wurde bewusst, dass nichts mehr so sein wird wie es vorher war.
Meine Hauptfigur Allegra fühlt sich vor dem dramatischen Ereignis, das ihr Leben verändert, völlig frei. Sie glaubt, dass die Zukunft vor ihr liegt, zum Greifen nah. Als die Realität sie einholt – hart und rau, wie der Fels unserer Berge – ist die Wirkung extrem. „Atlas“ ist ein Versuch zu verstehen, wie es möglich ist, unsere Ängste in der Begegnung und Öffnung gegenüber dem Fremden zu überwinden. Um sich wirklich frei zu fühlen, wie auf dem Gipfel eines Berges in Kontakt mit dem Himmel, müssen wir uns für den Anderen öffnen. In einem Moment, in dem wir uns alle nach Freiheit sehnen, erzählt „Atlas“ von einer grossen Anstrengung, diese zurück zu erobern.